Atomare Komponierbarkeit beschreibt die Fähigkeit, mehrere Vorgänge in unterschiedlichen Systemen als eine einzige, untrennbare Einheit auszuführen – entweder werden alle Vorgänge gemeinsam erfolgreich abgeschlossen, oder keiner wird ausgeführt. In klassischen monolithischen Blockchains ist dieses Prinzip grundlegend: Anwendungen auf derselben Kette können beliebig kombiniert werden, da Transaktionen in einem globalen Zustand abgewickelt werden. So kann beispielsweise eine dezentrale Börse in einer einzigen Transaktion mit einem Kreditprotokoll interagieren, ohne das Risiko unvollständiger Ausführungen.
In einer Umgebung mit mehreren Rollups ist diese Eigenschaft jedoch nicht mehr gegeben. Jeder Rollup verwaltet seinen eigenen Zustand und seine eigene Ausführungsreihenfolge, sodass Transaktionen auf einem Rollup unabhängig vom anderen abgeschlossen werden können. Ohne ein koordinierendes Bindeglied lässt sich beispielsweise das Sperren eines Assets auf Rollup A und das Prägen eines Derivats auf Rollup B nicht mehr atomar garantieren. Daraus resultieren Risiken wie Teilausführung, doppelte Exponierung oder festgesetzte Vermögenswerte. Mechanismen zur atomaren Komponierbarkeit sollen diese Sicherheitsgarantie in modularen Ökosystemen wiederherstellen.
Bei gemeinsam genutzten Sequencer-Konzepten sind zwei Formen von Atomizität entscheidend: atomare Inklusion und atomare Ausführung. Die atomare Inklusion garantiert, dass Transaktionen für mehrere Rollups gemeinsam in derselben Charge oder im gleichen Block eingeordnet werden. Zum Beispiel werden sowohl ein Lock auf Rollup A als auch ein Mint auf Rollup B gleichzeitig ein- oder ausgeschlossen, sodass ausgeschlossen wird, dass nur eine der beiden Transaktionen berücksichtigt wird. Diese Eigenschaft regelt die Reihenfolge, nicht aber das Endergebnis.
Atomare Ausführung geht einen Schritt weiter: Sie stellt sicher, dass alle Vorgänge bei der Ausführung entweder geschlossen erfolgreich oder vollständig verworfen werden. Dies erfordert, dass der Status jedes Rollups während der Anordnung bekannt ist, sodass Sequencer oder Builder garantieren können, dass voneinander abhängige Transaktionen nicht fehlschlagen. Praktisch gestaltet sich dies deutlich komplexer, da Rollups verschiedene virtuelle Maschinen, Nachweisverfahren und Ablauflogiken nutzen, was eine synchronisierte Statusprüfung über verschiedene Umgebungen hinweg aufwendig und technisch anspruchsvoll macht.
Die meisten heutigen Netzwerke mit gemeinsamem Sequencer gewährleisten die atomare Inklusion, nicht jedoch die atomare Ausführung. Astria zum Beispiel bündelt übergreifende Rollup-Transaktionen, überwacht jedoch keine Statusänderungen, weshalb die Ausführungsgarantie auf der Ebene des Rollups verbleibt. Forschungsinitiativen von Projekten wie Espresso und Ethereums PBS-Umfeld (Proposer-Builder Separation) loten Möglichkeiten aus, Statusnachweise in die Reihenfolgenbildung einzubinden, doch diese Ansätze stecken noch in der Experimentierphase.
Komponierbarkeit bildet die Basis für zahlreiche Anwendungen im Bereich DeFi und Web3. Yield Farming, Flash Loans und Arbitrage über Protokolle hinweg setzen voraus, dass mehrere Aktionen ohne das Risiko einer Teilumsetzung aneinandergereiht werden können. Fehlt diese Eigenschaft, müssen Nutzer auf Bridges, Verwahrlösungen oder Off-Chain-Abstimmungen zurückgreifen – mit der Folge von Verzögerungen und erhöhten Sicherheitsrisiken.
In einer fragmentierten Rollup-Landschaft droht der Verlust dieser Komponierbarkeit die Netzwerkeffekte zu schwächen, die das DeFi-Ökosystem von Ethereum ursprünglich so erfolgreich gemacht haben. Geteilte Sequencer-Netzwerke beheben das Problem teilweise, indem sie die Reihenfolge koordinieren. Ohne echte atomare Ausführung jedoch bleiben fortgeschrittene Strategien nicht umsetzbar. Diese Abwägung steht im Zentrum aktueller Diskussionen, ob Rollups autonom bleiben oder sich gemeinsamen Zustands-Layern annähern sollten.
Derzeitige Lösungen für atomare Komponierbarkeit sind mehrschichtige Ansätze statt monolithischer Konzepte. Ein Ansatz sind optimistische, rollup-übergreifende Bridges, bei denen Transaktionen atomar gebündelt werden, das endgültige Ergebnis aber von den jeweiligen Betrugs- oder Gültigkeitsnachweisen des Rollups abhängt. Alternativ kommen intent-basierte Architekturen zum Einsatz, bei denen Solver oder Builder Aktionen über verschiedene Chains off-chain koordinieren und als gebündelte Pakete an gemeinsame Sequencer übermitteln. Hierdurch lässt sich die Komplexität teils auslagern, während die gemeinsame Sequenzierung die Reihenfolgesicherheit garantiert.
Forschung zu sogenannten „Superbuildern“ geht noch weiter: Sie sollen über mehrere Rollups hinweg teilweisen oder vollständigen Zustandsüberblick behalten und so echte atomare Ausführung ermöglichen, indem sie cross-rollup Bundles konstruieren, die bei Einbindung zustandsvalide sind. Das Modell ähnelt domänenübergreifenden MEV-Searchern, wie sie im Rahmen der rollup-zentrierten Ethereum-Roadmap betrachtet werden.
Projekte wie Espresso testen Auktionen zwischen Sequencern, bei denen Builder um die Aufnahme von cross-rollup Bundles mit Komponierbarkeitsgarantie konkurrieren. Erste Versuche zeigen eine Reduzierung von Latenz und Slippage bei Arbitragestrategien, allerdings bestehen weiterhin Herausforderungen wie Reorg-Prävention und Umgang mit Zustandsabweichungen zwischen Rollups.
Die Realisierung atomarer Ausführung über mehrere Rollups steht vor grundlegenden Hürden. Zunächst herrscht Heterogenität: Rollups nutzen verschiedene Beweissysteme (wie zk-SNARKs, STARKs, optimistische Betrugsnachweise) und virtuelle Maschinen (EVM, WASM oder eigene Lösungen), wodurch synchronisierte Statusprüfungen enorm rechenintensiv werden. Versucht ein Sequencer, sämtliche Zustände zu validieren, kann er zum Flaschenhals werden.
Ein weiterer Aspekt ist die Latenz: Die Echtzeitüberprüfung mehrerer Rollup-Zustände kann Verzögerungen verursachen, die das Nutzererlebnis beeinträchtigen und die Vorteile zentraler, schneller Sequencer relativieren. Hybride Ansätze, bei denen nur besonders wichtige Bundles hinsichtlich ihres Status geprüft werden, könnten einen Kompromiss bieten – die Systemarchitektur wird jedoch komplexer.
Ein zentrales Thema ist auch die wirtschaftliche Sicherheit. Netzwerke mit gemeinsamen Sequencern, die atomare Ausführung bei Finanzanwendungen koordinieren, werden attraktive Angriffsziele. Die Anreizstrukturen müssen die Interessen der Validatoren klar auf korrekte Abläufe ausrichten, und Slashing-Regeln müssen so gestaltet werden, dass Fehlverhalten wie Doppelauslieferungen oder Zensur bestraft werden, ohne die Beteiligung ehrlicher Akteure zu entmutigen.
Für Entwickler von Anwendungen, die mehrere Rollups einbinden, ist das Verständnis der Unterscheidung zwischen Inklusion und Ausführung entscheidend. Anwendungen, bei denen allein die synchronisierte Abwicklung zählt – zum Beispiel Batch-Auktionen oder Cross-Chain-Governance – funktionieren bereits mit heutigen gemeinsamen Sequencer-Netzen. Wer jedoch garantierte Ausführung über mehrere Rollups benötigt – etwa für komplexe DeFi-Strategien oder kombinierbare Derivate –, muss zusätzliche Sicherungsmechanismen wie Rollback-Logik, Treuhandverträge oder verzögerte Abwicklung einplanen.
Mit der Verbreitung gemeinsamer Sequencer-APIs und intent-basierter Protokolle könnte diese Komplexität künftig zunehmend abstrahiert werden. Entwickler könnten gewünschte Ergebnisse definieren (z. B. „Swap auf Rollup A, Kredit auf Rollup B, falls Zinssatz über X“) und Solver sowie Sequencer übernehmen die atomare Koordination der Ausführung. Dieses Modell entspricht dem Trend hin zu generalisierten Intents, wie er bei Projekten wie Anoma und SUAVE verfolgt wird, um Liquidität und Komponierbarkeit über fragmentierte Chains hinweg zu vereinheitlichen.