Gemeinsame Sequencer-Netzwerke schaffen eine zentrale Schicht für die Transaktionsreihenfolge, an die mehrere Rollups angebunden werden können. Anstatt dass jedes Rollup seinen eigenen Sequencer betreibt, fungieren diese Netzwerke als gemeinsamer Dienst – ähnlich wie Datenverfügbarkeitslösungen, etwa Celestia oder EigenDA, mehreren Chains gleichzeitig zur Verfügung stehen. Ein gemeinsamer Sequencer bündelt Transaktionen verschiedener Rollups, ordnet sie per Konsensmechanismus und veröffentlicht die Reihenfolge für alle teilnehmenden Rollups.
Mit diesem Ansatz wird der Fragmentierung des Rollup-Ökosystems entgegengewirkt. Bisher operiert jedes Rollup oft isoliert, mit eigener Reihenfolge und Finalität der Transaktionen. Aufgrund dieser Isolation sind Interaktionen zwischen Rollups langsam und komplex, weil der Block-Takt jedes Rollups unabhängig ist. Gemeinsame Sequencer synchronisieren diese Zeitlinien, indem sie einen abgestimmten Ordnungsdienst bieten. Dadurch ist es möglich, Transaktionen, die mehrere Rollups betreffen, koordiniert und nahezu gleichzeitig aufzunehmen.
So entsteht ein System, bei dem Rollups ihre Eigenständigkeit in der Ausführung bewahren, aber in der Transaktionsreihenfolge kooperieren. Entwickler profitieren von weniger Reibungsverlusten bei Anwendungen über mehrere Rollups hinweg, während Nutzer dank nahezu synchroner Cross-Rollup-Transaktionen mehr Komfort erleben.
Die Nachfrage nach gemeinsamen Sequencern resultiert aus strukturellen Veränderungen im modularen Blockchain-Bereich. Zum einen steigt die Zahl an Rollups – besonders bei Ethereum sowie in modularen Ökosystemen wie Celestia und Cosmos – rasant. 2025 sind bereits über 50 Optimistic- und zk-Rollups im Einsatz oder in Entwicklung, viele davon ausgerichtet auf spezifische Anwendungsbereiche wie Gaming, DeFi oder den Zahlungsverkehr. Ohne Koordination droht daraus das Problem der „Multi-Rollup-Silos“: Jede Rollup-Chain agiert isoliert und bietet kaum Möglichkeiten zur Komponierbarkeit mit anderen.
Zudem greifen dezentrale Anwendungen zunehmend auf mehrere Rollups zurück: Nutzer sperren Vermögenswerte in einem Rollup, schöpfen Derivate in einem weiteren und betreiben Arbitrage über andere. Ohne synchronisierte Sequenzierung sind solche Vorgänge auf asynchrone Bridges angewiesen, was zu Verzögerungen und Risiken führt. Gemeinsame Sequencer reduzieren diese Hürden und ermöglichen es Entwicklern, Workflows für nahezu zeitgleiche Chain-übergreifende Transaktionen zu schaffen.
Nicht zuletzt entspricht die Entwicklung hin zu gemeinsamen Sequencer-Netzwerken dem modularen Designtrend: Da Ausführung, Konsens und Datenverfügbarkeit zunehmend voneinander entkoppelt werden, ergänzt sich eine separate Ordnungsinstanz optimal. Wie modulare Datenspeicher von mehreren Rollups gemeinsam genutzt werden, können gemeinsame Sequencer die Ordnungsfindung teilen, ohne die Eigenständigkeit der einzelnen Statusmaschinen zu beschneiden.
Ein gemeinsames Sequencer-Netzwerk besteht typischerweise aus einer dezentralen Validatoren-Gruppe, die unabhängig von einzelnen Rollups einen eigenen Konsensprozess durchführt. Rollups binden sich über leichtgewichtige Clients oder Relayer an dieses Netzwerk an. Gibt ein Nutzer eine Transaktion auf, leitet das Netzwerk diese an den gemeinsamen Sequencer weiter, der sie zusammen mit anderen Rollup-Transaktionen bündelt und zu Blöcken ordnet.
Als Konsensmechanismus kommt in der Regel ein byzantinisch fehlertolerantes Verfahren zum Einsatz – etwa Varianten von HotStuff oder Tendermint, wie sie in Netzwerken wie Espresso und Radius verwendet werden, um geringe Latenzen und starke Finalität zu erreichen. Teilweise wird die Sicherheit durch direktes Proof-of-Stake gewährleistet, teilweise durch Einbindung externer Systeme wie Ethereum-Validatoren. Astria beispielsweise nutzt Celestia für die Datenverfügbarkeit, unterhält für die Sequenzierung aber eine eigene Validatorengruppe.
Eine grundlegende architektonische Frage ist, ob der Sequencer ausschließlich die Reihenfolge festlegt („Lazy Sequencing“) oder auch die Ausführung übernimmt („Active Sequencing“). Lazy Sequencing lässt sich über viele Rollups hinweg besser skalieren, gewährleistet aber lediglich atomaren Einschluss, nicht jedoch atomare Ausführung. Active Sequencing, bei dem der Sequencer für jedes Rollup den Status verwaltet, kann vollständige Atomizität bieten, steht jedoch vor massiven Skalierbarkeitsproblemen.
Gemeinsame Sequencer-Netzwerke bieten Garantien, die einzelnen Rollup-Sequencern kaum möglich sind. Zunächst die Zensurresistenz: Da die Ordnungsfindung auf viele Validatoren verteilt ist, sinkt die Gefahr, dass einzelne Betreiber Transaktionen ausgrenzen. Gerade bei Cross-Rollup-Transaktionen ist das essenziell – würde ein Sequencer zensieren, käme Interoperabilität zum Erliegen.
Ein weiterer Vorteil ist die Sicherstellung der „Liveness“. Wenn ein Sequencer-Knoten ausfällt oder fehlerhaft agiert, setzen andere die Verarbeitung fort. Dadurch entstehen keine Ausfallzeiten wie bei Single-Sequencer-Ansätzen. Zudem werden Wartungen und Upgrades möglich, ohne dass das Netzwerk stillsteht.
Weiterhin profitieren alle Rollups von Skaleneffekten. Statt für jedes Rollup eine eigene Validatoren-Gruppe aufzubauen, kann ein einziges, gemeinsames Netzwerk die Dezentralisierungskosten auf diverse Chains umlegen. Dadurch sinken Kapitalanforderungen für neue Rollups und die Markteinführung beschleunigt sich. Ein einheitliches Interface für Entwickler vereinfacht zudem Tools und reduziert Integrationsaufwand.
Derzeit entwickeln mehrere Projekte gemeinsam genutzte Sequencer-Netzwerke, die sich in ihren Architekturentscheidungen unterscheiden. Astria, dessen Mainnet Anfang 2025 startete, versteht sich als Cosmos-basiertes Sequencer-Netzwerk für Rollups, die Celestia für die Datenverfügbarkeit nutzen. Astria setzt konsequent auf Lazy Sequencing, verwaltet also keine Rollup-States, sorgt aber für konsistente Reihenfolge über alle teilnehmenden Chains. Dadurch kann Astria horizontal wachsen, wenn neue Rollups hinzukommen – ohne großen Mehraufwand.
Espresso Systems, ursprünglich auf datenschutzorientierte Rollups spezialisiert, hat sich 2024 zu einem universellen Sequencer weiterentwickelt und sich in Polygon’s AggLayer integriert, um die Cross-Rollup-Ordnung für zk-Rollups zu demonstrieren. Die Architektur baut auf einem HotStuff-basierten Konsens auf und unterstützt die modulare Anbindung diverser Datenverfügbarkeits-Schichten. Lösungen für MEV (Maximal Extrahierbarer Wert) werden über Sequencing-Auktionen getestet, bei denen Builder dezentral auf die Reihenfolge bieten können.
Radius wiederum experimentiert mit Proof-of-Stake-basierter Sequenzierung samt Datenverfügbarkeitsnachweisen. Im Spätherbst 2024 betrieb Radius ein Testnet, das gleichzeitige Ordnungsfindung für mehrere anwendungsspezifische Rollups und Subsekunden-Finalität für Cross-Rollup-Transaktionen demonstrierte. Mit dem Fokus auf komposable Finanzprimitive positioniert sich Radius als Infrastruktur für DeFi-zentrierte Ökosysteme.
Weitere Vorhaben wie NodeKit und Rome Protocol verfolgen ähnliche Ansätze: NodeKit fokussiert sich auf hochperformante Gaming-Rollups, während Rome Ethereum-Rollups mit modularen Systemen wie Celestia und EigenLayer verbinden will.
Trotz ihres Potenzials stehen gemeinsame Sequencer-Netzwerke vor ungelösten Herausforderungen. Ein zentrales Thema ist die ökonomische Sicherheit: Wie viel Eigenkapital oder externe Validierung ist nötig, um die Ordnungsfindung vieler werthaltiger Rollups sicherzustellen? Gemeinsame Netzwerke bündeln mehr Wert als Einzellösungen und sind daher attraktivere Angriffsziele. Die Entwicklung glaubwürdiger Slashing-Regeln und Anreizmechanismen für Integrität über verschiedenste Teilnehmer hinweg bleibt komplex.
Auch Latenz ist eine Herausforderung. Obwohl gemeinsame Sequencer niedrige Latenzen anstreben, erzeugt die Koordination mehrerer Rollups Zusatzaufwand bei der Kommunikation. Ziel ist es, dass dieser Overhead das Nutzererlebnis gegenüber zentralisierten Sequencern nicht verschlechtert – daran wird laufend gearbeitet.
Die Governance-Frage bleibt offen: Entscheidungen zur Aufnahme neuer Validatoren, zur Gebührenverteilung oder zu Protokoll-Upgrades betreffen alle angeschlossenen Rollups und werfen Fragen zu Koordination sowie Repräsentation auf. Ein Governance-Modell, das Systemweite Sicherheit und Rollup-Souveränität sinnvoll austariert, ist für den dauerhaften Erfolg essenziell.
Schließlich ist die Debatte um atomare Ausführung versus atomaren Einschluss nach wie vor lebendig. Einige halten Einschluss-Garantien für die meisten Anwendungsfälle für ausreichend, andere fordern für finanzielle Komponierbarkeit uneingeschränkte Ausführungsatomizität. Wie man Letzteres erreicht, ohne dass jeder Sequencer-Knoten sämtliche Rollup-States vorhalten muss, ist weiterhin Gegenstand aktiver Forschung.